Aus Berliner Morgenpost | 07.03.2004

Reiseland Brandenburg setzt auf Berliner: Im Boot, per pedes, Rad oder Skates Potsdam – Brandenburg hat keine Alpen und liegt nicht am Meer. Warum sich ein Urlaub in der Mark dennoch lohnt und was das Land zu bieten hat, schildert Raimund Jennert, Geschäftsführer des Landestourismusverbandes, im Gespräch mit Morgenpost-Redakteur Dieter Salzmann.

Berliner Morgenpost: Herr Jennert, was sind die Highlights des Jahres im Reiseland Brandenburg?

Raimund Jennert: Brandenburg ist in diesem Jahr stark wasserbetont. Dazu passt: Die Naturfreunde Deutschland werden die Havel als „Flusslandschaft des Jahres“ auszeichnen. Um unser Jahresthema – Faszination Wasser – ranken sich viele Angebote. Urlaub im Hausboot beispielsweise liegt voll im Trend. Viele Veranstalter verzeichnen schon jetzt, im März, exzellente Buchungszahlen. Kanutouren und Kajaktourismus boomen. Auch die Kulturlandkampagne wird gut angenommen – vor allem von den Berlinern, die zumeist zu Ausflügen in die Mark kommen. Das Kulturlandthema „Gärten und Landschaften“ verbindet das Kultur- mit dem Naturerlebnis optimal.

Tagesausflügler oder Jahresurlauber – welche der beiden Zielgruppen sprechen Sie an?

Beide, wobei die Tagesausflügler für uns allein vom Umsatz her am wichtigsten sind. Jährlich kommen etwa 90 bis 100 Millionen Ausflügler ins Land. Dem stehen 8,6 Millionen Übernachtungen gegenüber, die zum Teil als Geschäftsreisen nicht touristisch motiviert sind. Brandenburg ist zurzeit ein Land für den Zweit- oder Dritt-Urlaub und für Camper, wo es einen Zuwachs von 20 Prozent gegeben hat. In einigen Reisegebieten ist aber auch schon ein Trend zum Haupturlaub in Brandenburg zu entdecken.

Ministerpräsident Matthias Platzeck setzt auf Radler und Kanuten. Reicht das aus für ein Reiseland Brandenburg?

Man muss Schwerpunkte setzen. Mit einem Gemischtwarenladen vor dem Bauch wird niemand richtig glücklich. Radfahren, Wassertourismus und Wellness sind unsere Schwerpunkte. Darum gruppiert sich dann alles – zum Beispiel der Kulturtourismus. Inzwischen ist Brandenburg ein fahrradtouristisches Reiseziel. Das Radwegenetz wächst zusammen, es gibt kaum noch Lücken. Das gilt auch für den Wassertourismus. Im Zusammenschluss mit Mecklenburg-Vorpommern ist Brandenburg das größte europäische Binnenrevier, mit fantastischer Landschaft und unheimlich schönen Flüssen und kleinen Kanälen.

Wird Brandenburg jemals mit klassischen Reiseregionen wie Bayern oder Nord- und Ostseeküste mithalten können?

Natürlich haben wir nicht die Alpen, und wir haben auch kein Meer. Das bekommen wir auch nicht hierher. Aber mit Regionen wie die Lüneburger Heide oder Franken, die eher auf Kurzurlaube und Tagesausflügler setzen, können wir locker konkurrieren. Schon allein die große Stadt Berlin in unserer Mitte zu haben, ist ein enormer Vorteil.

Der Brandenburger Gastwirt hat den Ruf, bisweilen unfreundlich und knurrig zu sein. Wie steuern Sie entgegen?

Das stimmt doch gar nicht. Das Problem ist, die negative Erfahrung wird zehnmal weitergegeben, die positive nur dreimal. Es gibt natürlich auch im Dienstleistungsgewerbe weniger nette Menschen, bei denen man sich fragt: Warum hat er diesen Beruf ergriffen? Was wir dagegen tun, ist auch ganz klar: Wir haben die Tourismus-Akademie Brandenburg gegründet. Dort wollen wir Gastwirten und Hoteliers vermitteln, worauf sie achten müssen, damit der Gast mehr als zufrieden ist.

Die märkische Schnitzelküche ist berüchtigt. Was ist zu tun?

Eine Initiative ist der „Brandenburger Teller“ mit landestypischen Gerichten und Produkten aus der Region. Da sind wir aber auf die Kreativität der Gastwirte angewiesen. Die Erfahrung zeigt: Diejenigen, die kreativ sind, haben eine abwechslungsreiche Küche und sind auch erfolgreich. Die, die sich nicht bewegen wollen, bleiben beim Einheitsmenü. Da ändert sich dann nichts, auch nicht die Gästezahl.

Wie viel trägt der Tourismus als Wirtschaftsfaktor bei?

Der Tourismus ist eine Wachstumsbranche. Pro Jahr wird direkt oder indirekt ein Umsatz von knapp 2,6 Milliarden Euro gemacht. Das entspricht acht Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts. Damit ist der Tourismus ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig – in den ländlichen Regionen vielleicht der wichtigste. In der Branche arbeiten derzeit 50 000 Menschen. Perspektivisch könnten es 65 000 und mehr werden.

Worin liegen die Perspektiven, was sind die Chancen für Brandenburg?

Wir haben noch ein erhebliches Potenzial, auch Gäste für den Haupturlaub an uns zu binden. Bei Ferienhäusern und -wohnungen ist die Nachfrage sehr viel größer als das Angebot. Wir haben unendlich viele Seen – was fehlt, sind die kleinen Häuschen am See wie in Skandinavien. Da können wir noch eine Menge aufholen. Das Angebot in diesem Sektor erweitert sich aber schon, wie durch den Bau der Schlosshäfen von Rheinsberg und Petzow, die derzeit im Gange sind.

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