Aus PNN | 01.08.2007 von Günter Schenke
Vom Entenfänger bis zum Kahlen Berg: Vereine setzen sich für Potsdamer Westraum ein
Potsdam-West – Zwei Potsdamer Vereine haben sich eine gigantische Aufgabe gestellt. Sie wollen den Potsdamer Westraum nach dem historischen Vorbild von vor zweihundert Jahren wiederherstellen. Der im Jahre 2004 gegründete Wildpark-Verein sowie der seit 1998 bestehende Potsdamer Kulturlandschaft e.V. arbeiten dabei eng zusammen mit dem italienischen Landschaftsarchitekten Prof. Pirzio-Biroli. Mit von der Partie sind ferner die Lenné-Akademie, die Forstverwaltung und die Bundeswehr als der größter Anlieger. Im Wildpark befindet sich bekanntlich ihr Einsatzführungskommando, das in der ehemaligen Kaserne der Luftkriegsschule III der Wehrmacht untergebracht ist. Die vom Architekten Ernst Sagebiel geschaffene Anlage steht heute unter Denkmalschutz.
Wie berichtet, trafen sich die Akteure Mitte Juli im Bayrischen Haus im Wildpark und steckten ihr weiteres Vorgehen in einem Konzept „Vision zur Gestaltung im Westen der Insel Potsdam“ ab. Es geht um die Finanzierung der Planungen und die Umsetzung von Teil- Projekten.
„Unser Ziel ist, die von Peter Joseph Lenné gestaltete Kulturlandschaft wiederherzustellen“, sagt Pirzio-Biroli, der vor neun Jahren schon die Planungen für den Potsdamer Nordraum als Grundlage für die Neugestaltung der Lennéschen Feldflur vorgelegt hatte. Jetzt will er einen Masterplan für den Westraum. „Die Situation war noch nie so günstig“, sagt der Landschaftsarchitekt im Hinblick auf das Engagement der Vereine. Dabei ist ihm klar, dass es nicht um eine Eins-zu-eins-Kopie der Lennéschen Planungen gehen kann. Denn zu Lennés Zeiten war das gesamte Gebiet weitgehend unbewohnt, die Ufer frei zugänglich und der Baumbestand nur spärlich. „Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, um das Gewerbe vom Bootsservice bis zum Obstanbau sowie Tourismus zu fördern“, meint Pirzio-Biroli.
Als Beispiel führt der Italiener die Entenfängerteiche zu beiden Seiten des Werderschen Damms an. „Das ist einer der schönsten Plätze Potsdams“, sagt er bei einem Besuch vor Ort. „Aber niemand kann etwas davon erkennen oder gar erleben – das wollen wir verändern.“ Schon heute würden Touristik-Unternehmen bei ihren Rundreisen an der Entenfanganlage der Hohenzollern aus den Jahren 1694 bis 1714 vorbeifahren. Sie sei einmalig. Damals führten dressierte Lockenten die Wildenten in Fangnetze. Auf diese Weise konnten Wildenten für die kurfürstliche und königliche Tafel ohne Schrotkugeln beschafft werden. Zuletzt sollen hier bis zu 2000 Enten pro Jahr gefangen worden sein. Heute ist das Gebiet ein unzugängliches Luch und der angrenzende Wald laut Pirzio-Biroli ein „Durcheinander“. Ein Weg- und Stegsystem könnte es leicht touristisch aufwerten, ohne die Landschaft, die der Lebensraum für viele seltene Tiere und Pflanzen ist, zu beschädigen.
So wie am Entenfänger könnten verschiedene Teile der Lennéschen Gestaltung Punkt für Punkt wiederhergestellt werden, meinen die Initiatoren. Das Geld wollen sie mit Hilfe des Landes aus dem Fonds der Europäischen Union beschaffen.
Zu einem bevorzugten Zukunftsprojekt des Wildpark-Vereins gehört das Nordtor. „Hier stecken vielfältige Potenziale für eine zeitgemäße Nutzung im historischen Gewand“, meinen sie. Das stark restaurierungsbedürftige wenig ansehnliche Nordtor zum Wildpark wollen sie durch Arbeitsförderung wieder auf Vordermann bringen. Das hat Tradition, denn die Arbeitsbeschaffung bei der Gestaltung des Wildparks in Preußen gilt heute als frühes Beispiel von Sozialpolitik. Im Rahmen der Westraum-Sanierung hoffen die Vereine auf ein Nutzungskonzept des nach Plänen Ludwig Persius im Jahre 1842 gebauten Hauses. Ein erster Erfolg ist die Rückführung der beiden von Christian Daniel Rauch geschaffenen Bronzehirsche im vergangenen Jahr in den Wildpark. „Die Belvedere-Standorte auf dem Reiherberg, dem Kahlen Berg und dem Windmühlenberg haben einst Überblicke über die Kulturlandschaft und die Stadt Potsdam ermöglicht“, heißt es im Konzept. Wo sie noch nicht völlig überformt seien, lohne eine Wiederherstellung, um die Landschaft erleben zu können.