Aus Potsdamer Neueste Nachrichten | 26.03.2004
Statt Netzverknüpfung heißt es jetzt Templiner Spange – ein Etappensieg für Bürgerinitiativen und Bündnisgrüne
Von Henry Klix
Potsdam/Potsdam-Mittelmark. Die Netzverknüpfung ist gestorben, die Templiner Spange lebt weiter. Von der Verbindung der Potsdamer Nuthestraße am Bahnhof Drewitz mit der A 10 in Phöben entlang der Bahn ist nur noch der mittlere Zipfel – eine Klammer zwischen B1 und B2 über den Templiner See – übrig geblieben (PNN berichteten). Der Botschaft über die Änderungen der Pläne, die die grünen Bundestagsabgeordneten Peter Hettlich und Cornelia Behm am Mittwochabend in Potsdam vor Vertretern von Bürgerinitiativen verkündeten, folgte basses Erstaunen. Nach den schlechten Erfahrungen mit Straßenvorhaben in der Region kann man durch geballten Bürgerwillen also doch noch etwas erreichen – das hätte niemand der Gäste erwartet. Sicher geht nichts ohne politische Unterstützung: Es waren die Grünen, die in Gesprächen mit der Bundes-SPD und Brandenburgs Bauminister Frank Szymanski (SPD) die Widerstände weiter trugen. So artikulierten die Gäste im Haus der Natur ein ganz ungewohntes Gefühl: Dankbarkeit gegenüber der Politik.
Der Kompromiss kam durch eine Art Tauschhandel in der rotgrünen Regierungskoalition zustande. Auf die Region Potsdam verkürzt: Die Grünen ließen sich auf einen Ausbau des südwestlichen Berliner Autobahnrings (achtstreifig zwischen Dreieck Nuthetal und Dreieck Potsdam; sechsstreifig zwischen Dreieck Werder und Abfahrt Groß Kreutz) ein und konnten dafür bei der Netzverknüpfung etwas heraus schlagen. Dabei schienen mit der Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans im Sommer vorigen Jahres alle Messen gesungen. Doch während der Verkehrswegeplan vom Bundeskabinett verabschiedet wird, kommen bei der Finanzierung des Planwerks der Bundestag und mit ihm neue Meinungsträger ins Spiel: Mit dem „5. Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetz“ wird im Juni beschlossen, für welche Projekte der Bund bis zum Jahr 2015 die Kasse klingeln lässt.
Dies macht es möglich, die Abschnitte der Netzverknüpfung nach Werder und Nuthetal vom „vordringlichen“ in den „weiteren“ Bedarf zu rücken. Ihre Planung könnte damit frühestens mit dem nächsten Bundesverkehrswegeplan in 11 Jahren wieder aufgenommen werden. Doch Peter Hettlich bezweifelt, dass es dann noch Bundesverkehrswegepläne in herkömmlicher Form geben wird. „Die Not mit dem demographischen Wandel wird so groß sein, dass wir Mühe haben, die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten.“ Die zurückgestuften Abschnitte der Netzverknüpfung hält er deshalb „für endgültig gestorben“. Selbst wenn die Templiner Spange im Fernstraßenausbaugesetz auftauchen wird, sehen Behm und Hettlich auch hier noch nicht, dass es zu ihrem Bau kommt. „Das Budget ist mit 30 Prozent überzeichnet. Und erfahrungsgemäß kommt es bei den durchgeführten Projekten zu Kostenüberschreitungen im Bereich von 20 Prozent“, so Hettlich. Im Klartext: Nur die Hälfte der im neuen Fernstraßenausbaugesetz festgeschriebenen Projekte können umgesetzt werden. „Es hängt vor allem von den Widerständen und den ungelösten, ökologischen Problemen ab, was dabei über den Jordan geht“, sagt Behm. Deshalb sei es „ganz wichtig, dass der Einsatz der Initiativen jetzt nicht aufhört.“ Die Argumente gegen die Templiner Spange sind bereits zusammen getragen: Mit dem Templiner See würde ein „important bird area“, ein Vogelschutzgebiet europäischen Rangs, überquert, so Nabu-Kreischef Wolfgang Ewert. Selbst Seeadlerpaare wurden hier gesichtet. Auch die Probleme mit dem Ausfallverkehr an der B1 / Höhe Pirschheide, dem Ende der Spange, bleiben bestehen, wie Thomas Becker von der Initiative „Bürger für Verkehrsberuhigung in Potsdam West“ betonte. Der Verkehr werde über die Forstraße, Am Neuen Palais und Amundsenstraße quer durchs Weltkulturerbe fließen. Eine Verdopplung des Kfz-Aufkommens in diesen hochsensiblen Bereichen wird selbst durch Verkehrsplaner der Stadtverwaltung Potsdam erwartet. Wichtig sei ohnedies, wie sich Potsdam und Potsdam-Mittelmark zu der geänderten Situation stellen, betont Cornelia Behm. Denn der Bund macht lediglich ein Finanzierungsangebot – ob es angenommen wird, ist durch Politiker vor Ort zu entscheiden. Damit bleibt das abgestimmte Verkehrskonzept von Potsdam und Potsdam-Mittelmark – nach früheren Debatten vom Land zur Bedingung für die Aufnahme der Planung gemacht – weiter aktuell.
Zwei von drei Teilstücken gestrichen: Rainer vom Lehn von der Initiative „Bürger für Bergholz-Rehbrücke“ hält das für eine „Beerdigung dritter Klasse“. „Wir wollen die Netzverknüpfung im Zinksarg und mit Grabstein unter die Erde bringen und nicht in einem Pappkarton verscharren.“ Auch wenn Nuthetal mit den geänderten Plänen außen vor sei, werde man weiter für die Nullvariante streiten. Wie in Nuthetal hegt man auch in Geltow, Golm und Werder eine Befürchtung: Ist die Spange erst da, wird ein Leidensdruck entstehen, der die Verlängerung an beiden Enden irgendwann doch wieder aktuell werden lässt.
Ein weiteres Problem erregte die Gemüter an diesem Abend: Die Ortsumgehung Michendorf, von ihren Gegnern als Zubringer für die Netzverknüpfung bezeichnet. Cornelia Behm meint, dass sich auch hier der Protest noch lohnen könnte. „Auch wenn wir im Verkehrsausschuss des Bundestags nichts erreichen konnten, man sollte sich nicht hinlegen und sagen: Dann kommt die Straße eben.“ Doch auch gut gemeinte Operationen der Protestgemeinde können mal daneben gehen. Schädlich für den Widerstand sei der Beschluss am Montag in der Gemeindevertretung Michendorf gewesen, so Behm. Grüne und UWG waren dort mit einem Baustopp-Antrag gescheitert. Behm: „Das wurde mir im Ausschuss vorgehalten.“
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